«Japanisches Szenario» – wie das Land der aufgehenden Sonne in die Tiefzins-Falle geriet

Eine mögliche Zinswende wurde in den vergangenen 5 Jahren von Quartal zu Quartal hinausgeschoben. Nun scheint sie in der Schweiz auf lange Frist unwahrscheinlich. Es droht ein «japanisches Szenario». Im Land der aufgehenden Sonne dümpeln die Leitzinsen seit Mitte der 90er-Jahre um die 0 %-Marke. Was genau ist passiert?

Um eines vorweg zu nehmen: Japan verzeichnet seit 30 Jahren ein geringes Wachstum, konstant tiefe Zinsen und kaum Inflation. Dennoch ist das Land reich geblieben – eine Verschlechterung des Lebensstandards ist weder mess- noch erkennbar. Das, obschon die japanische Wirtschaft seit Jahren stagniert. 

Der Beginn der japanischen Tiefzinspolitik

Die Ursache für die aktuelle japanische Zinspolitik liegt in der «Keiki Bubble» in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre. Im Jahr 1985 vereinbarten die G5-Staaten – namentlich USA, Japan, Deutschland, Grossbritannien und Frankreich – eine Abwertung des US-Dollars gegenüber den Währungen der anderen vier Länder. In der Folge steigerte der Yen seinen Wert in kontrollierter Form innerhalb von 24 Monaten um mehr als 100 %. 

Das rief Spekulanten auf den Plan. Sowohl japanische wie auch internationale Investoren allozierten ihr Kapital in Assets, deren Werte mit dem Yen verknüpft waren, um von dessen Wertsteigerung zu profitieren. Insbesondere japanische Immobilien gerieten in den Fokus der Anleger. Am Höhepunkt der Blase waren bis zu zwei Drittel des weltweiten Immobilienwertes in der Stadt Tokio konzentriert. Der Park des Kaiserpalastes im Zentrum von Tokio war gemäss Schätzungen genau so viel Wert, wie ganz Kalifornien.

Trügerische Spirale und die Rolle der japanischen Nationalbank

Um der Aufwertung des Yens entgegenzuwirken, senkte die japanische Nationalbank den Leitzins von 9 % im Jahre 1980 auf 2,5 % im Jahr 1987. Das goss zusätzlich Öl ins Feuer.

Besonders kritisch wurde die Situation, als japanische Banken damit begannen, die überbewerteten Immobilien als Sicherheiten für neue Kreditvergaben zu akzeptieren. Ein Grossteil dieser Kredite floss unmittelbar zurück in den japanischen Immobilienmarkt. Einfacher gesagt: Mit Immobilien abgesicherte Kredite dienten dem Kauf von neuen Immobilien. Um dem ungesunden Anstieg der Aktien- und Immobilienpreise ein Ende zu bereiten, sah sich die japanische Zentralbank gezwungen, den Leitzins wieder zu erhöhen.

Das führte 1990 zum Platzen der Blase. Der Wert von Immobilien und Aktien brach zusammen. Das Wirtschaftswachstum und die Inflation brachen ein. Die japanische Nationalbank reagierte mit einer erneuten, drastischen Senkung der Zinsen – um die ins Stocken geratene japanische Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen: Der Beginn einer langanhaltenden Tiefzinsperiode, aus der das Land bis heute noch keinen Ausweg gefunden hat.

Auch für die Schweiz ein mögliches Szenario?

Das Beenden einer einmal begonnenen Tiefzinsperiode bringt diverse Schwierigkeiten mit sich. Jeder Zinsanstieg birgt die unmittelbare Gefahr, den Aufschwung einer Wirtschaft abrupt zu stoppen. Hinzu kommt die grosse Gefahr, durch einen solchen Schritt massive Turbulenzen an den Börsenmärkten auszulösen. Als die US-Notenbank die Zinsen im Dezember 2018 erhöhte, brachen die Aktienkurse weltweit ein. Auch die Ankündigungen der US-Notenbank im Januar 2022, die Leitzinsen im Verlaufe des Jahres in mehreren Zinsschritten erhöhen zu wollen, sorgte bei den Anlegern für Unruhe.

Besonders prekär gestaltet sich die Situation für die Schweizer Nationalbank. Ihr Hauptziel ist es, eine Aufwertung des Schweizer Frankens zu verhindern. Dementsprechend ist sie unmittelbar abhängig von den Zinsentscheiden der europäischen Zentralbank. Ähnlich wie die Federal Reserve hat auch die EZB in den letzten Monaten versucht, die Weichen Richtung Zinserhöhung zu stellen, um der steigenden Inflation entgegenzuwirken – bisher ohne Erfolg. Am 10. März 2022 hat diese zwar entschieden, die Anleihenkäufe ein wenig zurückzufahren. Den Leitzins belässt Sie aber weiterhin bei dem Rekordtief von 0.0%.

Gleichzeitig hat sich im Zuge des Ukraine-Konflikts der Schweizer Franken als «sicherer Hafen» gegenüber dem Euro deutlich aufgewertet und in der Zwischenzeit Parität erreicht. Soll heissen: 1 Euro ist gleich viel Wert wie 1 Schweizer Franken. Angesichts dieser Ausgangslage scheinen die Bedingungen für ein Ende der Schweizer Negativzinsen nicht gegeben – denn ein Anheben der Zinsen würde den Franken als Fluchtwährung gegenüber dem Euro noch attraktiver machen. Immerhin: Die Notwendigkeiten von Zinserhöhung ist in der Schweiz weniger gegeben als in den USA oder dem Euroraum, weil die Inflation in der Schweiz deutlich tiefer ist.

Die Zusammenhänge der Zinspolitik der USA, dem Euroraum und der Schweiz und eine drohende Zinswende waren auch Thema in Folge #22 unseres Podcasts «How To Real Estate»

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Drohende Zinswende | Die richtige Strategie für Rendite-Immobilien

How to Real Estate Podcast #22

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Fazit: Es kann noch sehr lange dauern

Was bedeutet das für die Schweiz? Mit Rückblick auf die Situation in Japan kann gesagt werden: Ein langanhaltendes Tiefzinsszenario ist für die Schweiz in den letzten Jahren realistisch geworden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Ausnahmezustand zum Normalzustand wird und Investoren sich langfristig mit neuen Voraussetzungen und Herausforderungen konfrontiert sehen.

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